If.E Innovationsworkshop
Kurz nach der Bundestagswahl und den begonnenen Koalitionsgesprächen zwischen CDU und SPD lud das Innovationsforum Energiewende e.V. am 13. November 2013 nach Berlin ins Humboldt Carré ein.
Zur Eröffnung des Innovationsworkshops 2013 verdeutlichte Frau Margret Suckale, Mitglied des Vorstands der BASF SE, dass die grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ganz oben auf der Prioritätenliste stehen müsse.
„Die Leitidee sollte mehr Markt und mehr Wettbewerb für die erneuerbaren Energien sein.“ Angesichts der Entwicklungen in den USA und der dortigen Energiewende mahnte sie eine europäisch abgestimmte Energie- und Klimapolitik mit mehr Realismus an. Aus wettbewerblichen Gründen seien bei der Umgestaltung des Energiesystems einseitige Kosten zu vermeiden.
Anschließend wurden innovative Ansätze zu den beiden Themenblöcken Demand Side Management sowie Industrielle Großspeicher-Innovationen für den Strombedarf der deutschen Industrie im Plenum präsentiert.
Gero Breloer
Demand Side Management – Potenziale und Blockaden seiner Realisierung
Thomas Flesch, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Trimet Aluminium SE, führte in die Thematik Aluminiumelektrolyse als virtueller Stromspeicher ein.
Die Aluminiumunternehmen in Deutschland könnten als Bindeglied zwischen volatiler Erzeugung und bedarfsorientiertem Verbrauch fungieren. Nach Berechnungen des Referenten könnten gut 25 Prozent der Leistungsabnahme der deutschen Aluminiumhütte flexibilisiert werden. Dieser Betrag würde aktuelle Pumpspeicherkapazitäten um rund ein Drittel erhöhen. Allerdings bestünden regulative Herausforderungen.Aus Sicht eines Versorgungsunternehmens sah Thomas Wiedemann, RWE Deutschland AG, demgegenüber nur noch begrenztes Potenzial für Lastmanagement in der Industrie. Größtenteils sei dieses bereits gehoben. Für die Erschließung weiterer Lastflexibilitäten seien neue Regelwerke erforderlich, um zeitliche und räumliche Interessenkollisionen zu vermeiden. Hierzu stellte Herr Wiedemann einige konkrete Lösungsansätze vor.
Gero Breloer
Industrielle Großspeicher-Innovationen für den Strombedarf der deutschen Industrie
Dr. K. Peter Röttgen vom E.ON Innovation Center Energy Storage führte in den Stand und die Potenziale chemischer Großspeicher ein. Am Beispiel der 2013 in Betrieb genommenen Power-to-Gas-Anlage Falkenhagen beschrieb er Eckdaten sowie Ziele des Pilotvorhabens.
Auf Basis der gewonnenen Erfahrungen stellte Dr. Röttgen fest, dass die aktuelle Gesetzeslage keinen wirtschaftlichen Anreiz für die Nutzung von Energiespeichern bietet. Wichtig sei, dass Energiespeicher von systemfremden und entwicklungshemmenden Belastungen befreit würden. Wichtig ist ein eigener und technologieoffener Rechtsrahmen.Anschließend präsentierte Dr. Karl Krähling, Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH, die „Potenziale einer Wind-Wasserstoff-Wirtschaft an der Unterelbe“. In dem Vorhaben ist eine Vielzahl an Unternehmen engagiert, die die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Zur Realisierung eines derartigen Verbundsystems skizzierte Dr. Krähling abschließend einige Eckelemente.
Gero Breloer
Talkrunde: „Innovative Energiepolitik nach der Wahl“
Am Ende des Innovationsworkshops diskutierten Gäste und der Vorsitzende der IG BCE/ If.E, Michael Vassiliadis, über „Innovative Energiepolitik nach der Wahl“. Im Fokus standen bisherige (Fehl-)Entwicklungen im Zuge der Energiewende, ein neues Energiemarktdesign sowie die Minimierung der Kosten bei der Systemtransformation, um Beschäftigung am Industriestandort Deutschland zu sichern und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Einig waren sich die Gesprächspartner darin, dass angesichts globaler Entwicklungen sowie Widersprüchlichkeiten in der derzeitigen Strommarktordnung nach der Bundestagswahl weitreichende Entscheidungen in der Energiepolitik zu treffen seien.
Der Präsident der acatech, Prof. Dr. Reinhard F. Hüttl wies darauf hin, dass derzeit nur ein kleiner Teil der mit der Energiewende adressierten Herausforderungen im Fokus der Öffentlichkeit steht. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kohlendioxid-Emissionen nur zu 25 Prozent aus der Erzeugung von Strom stammen, 25 Prozent steuert (sind) der Verkehr bei und 50 Prozent macht die Gebäudeklimatisierung aus.“ Im Gegensatz zur Vergangenheit seien weitaus stärker systemische Lösungen gefragt.
Die Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser begründete vor dem Hintergrund der Reaktorkatastrophe in Fukushima die bisherigen politischen Maßnahmen. „Die Kernenergie haben wir auch nicht umsonst bekommen … Beim Strommarktdesign müssen wir der Politik Zeit geben, sonst entstehen Fehlentwicklungen.“ Diesem Ansatz stimmte der Wirtschaftsminister in Thüringen, Matthias Machnig zu. „Erneuerbare Energie, fossile Energie und Speichertechnologien: zur Abstimmung brauchen wir ein Strommarktdesign.“ Dafür seien verstärkt Investitionen in die Forschung notwendig.
Die durch Shale Gas ausgelöste wirtschaftliche Entwicklung in den USA und deren Folgen für die Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik wurde ebenfalls eingehend erörtert.
Der Vorsitzende des Innovationsforum Energiewende, Michael Vassiliadis unterstrich: „Industrieunternehmen in energieintensiven Branchen wollen in den nächsten Jahren mehrere Milliarden in den USA investieren, nicht in Deutschland. Das werden wir nicht morgen spüren, aber übermorgen.“
Zwar versicherte der Vorsitzende Tony Van Osselaer, dass Bayer MaterialScience in den Standort Dormagen investieren wird: “Da bin ich interessiert, diesen auch aus energetischer Sicht wirtschaftlich zu betreiben.“ Aber die Höhe der Energiepreise enge den Spielraum ein. Die Erreichung ambitionierter europäischer Klimaschutzziele dürfe nicht zu Nachteilen für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Industrien führen. Sie sind oftmals Träger der Innovationen.
In vier parallelen Arbeitsgruppen wurden anschließend Detailfragen der Energiewende mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft diskutiert. Im Zentrum stand, welche technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sowie rechtlichen Änderungen zu bewältigen sind, um Innovationen anzuregen und die Energiewende voranzubringen.
Arbeitsgruppe 1: Erneuerbare Energien am Markt
Arbeitsgruppe 2: Versorgungssicherheit in der Energiewende
Arbeitsgruppe 3: Szenarienmodellierung europäischer Energie- und Klimapolitik
Arbeitsgruppe 4: Energiewende, Innovation, Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung
In der Arbeitsgruppe „Energiewende, Innovation, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ beschrieb zunächst Dr. Dietmar Edlervom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin Methodik und Ergebnisse einer Untersuchung, in der die kurz- und langfristigen Wirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf den deutschen Arbeitsmarkt abgeschätzt wurden. Die Netto-Beschäftigungseffekte der Energiewende sind danach bis 2012 „leicht positiv“.
Ralf Hermann, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Evonik Industries AG verdeutlichte in seinem Beitrag, dass ein traditionelles Chemieunternehmen chemische Grundstoffe und Produkte für die PV- und Windenergieanlagen herstellt und von der Energiewende teilweise profitiert. Indes werden auch Risiken gesehen. Angesichts höherer Energiekosten – beispielsweise im Hinblick auf die USA – könnten „Wertschöpfungsketten“ zerbrechen sowie Produktionsteile und Know-How ins Ausland verlagert werden.
Dr. Ralf Wiegert, Consulting Director for Scenario and Economic Impact Analysis bei IHS Global Insights, unterstrich die besondere Rolle der Energiekosten bei einer stark Export orientierten Volkswirtschaft wie Deutschland. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, sei erstens der Fokus auf ausgereifte erneuerbare Energietechnologien zu richten. Der Ausbau von Offshore Wind sollte möglichst nur moderat erfolgen. Zweitens müssten die Entlastungsregelungen bei EEG und Stromsteuer für energieintensive Unternehmen beibehalten werden, damit diese weiterhin im internationalen Wettbewerb bestehen könnten.