3. If.E Innovationskongress
Wer innovative Entwicklungspfade über mehr als drei Jahrzehnte beschreibt, der kann sich dabei nicht allein von einem Ziel leiten lassen.
Soziale, ökonomische und ökologische Fragen lassen sich nicht einzeln, sondern nur unter Berücksichtigung wechselseitiger Abhängigkeiten erfolgreich beantworten.
Gemeinsam fürs Ganze - unter diesem Motto müssen auch Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit zusammengedacht werden.
Der 3. If.E Innovationskongress bot dafür ein Forum. Petra Reinbold-Knape, Mitglied im geschäftsführenden Hauptvorstand der IG BCE, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Jürgen Schachler, Vorstandsvorsitzender der Aurubis AG und Klaus Schäfer, Vorstandsvorsitzender der Uniper AG sowie namhafte Referentinnen und Referenten auf zwei Innovationspanels tauschten sich mit rund 200 Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gewerkschaft am 26. Oktober 2016 in Berlin aus, um die Weichen für eine gelingende, sozialverträgliche Energiewende zu stellen.
„Sozial gerechtes Finanzierungskonzept nötig“
„Wir brauchen eine klare Roadmap“, sagte sie vor rund 200 Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gewerkschaft. „Wir begrüßen, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit den EEG-Novellen 2014, 2016 und 2017 wesentliche Fehlsteuerungen korrigiert hat und der künftige Ausbau der erneuerbaren Energien kosteneffizienter stattfinden wird als in der Vergangenheit. Das kann aber nichts daran ändern, dass bis 2020 Zahlungsverpflichtungen an Betreiber von EEG-Anlagen in Höhe von 650 Milliarden Euro aufgelaufen sein werden, die wir bis 2040 erfüllen müssen“, so Petra Reinbold-Knape. „Wir müssen nicht nur bei den Erneuerbaren Energien, sondern auch bei Speichern und Netzen bessere Wege finden, um Innovation zu fördern und nicht nur Installation“, fordert Reinbold-Knape.
Für „nicht zielführend“ hält die IG BCE die vom Bundesumweltministerium vorgeschlagene Kommission „Klimaschutz und Vollendung der Energiewende“. „Die Errichtung einer Kommission allein aus der Logik des Klimaschutzplans lehnen wir ab. Denn soziale, ökonomische und ökologische Fragen lassen sich nicht einzeln, sondern nur unter Berücksichtigung wechselseitiger Abhängigkeiten erfolgreich behandeln“, sagte Petra Reinbold-Knape. Bestenfalls könne eine Kommission den politischen Prozess, der die Energiewende zum Erfolg führen soll, begleiten und die Politik kompetent beraten. Allerdings sei es erforderlich, dass „die Belastungssituation sozialer Gruppen in der Energiewende in dieses Monitoring einbezogen wird.“
Denn nach wie vor fehle in der Gestaltung und Finanzierung der Energiewende die soziale und ökonomische Balance. „Wir müssen die Frage nach sozial gerechten Finanzierungskonzepten für die geplante Umsteuerung auf den Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland stellen. Denn Klimaschutz allein bewirkt keineswegs automatisch mehr Lebenschancen für die große Mehrheit der Bevölkerung“, sagte Reinbold-Knape.

„Wir stehen am Wendepunkt der Industriepolitik“
Vermeintliche Widersprüche und Konkurrenzen erschwerten den Dialog über die Energiewende. Die Öffentlichkeit ist geteilt, so der Minister. Wir wollen das Klima schützen, den Strompreis stabil halten und Arbeitsplätze erhalten. Aber wie realistisch sind diese Wünsche? „Wir haben eine entkoppelte Diskussion im Land“, attestiert Gabriel der öffentlichen Debatte um die Energiewende. Das Problem sei, dass nicht versucht werde, der Komplexität Rechnung zu tragen. „Viele verlieren das Bewusstsein dafür, dass wirtschaftlicher Erfolg von der industriellen Produktion abhängt.“ Die deutschen Unternehmen sind im internationalen Vergleich ausgesprochen energieeffizient. Der Erhalt der industriellen Wertschöpfung sei für beides unerlässlich – denn: „Nur in einem wirtschaftlich wohlhabenden Deutschland werden wir Klimaschutz realisieren können.“ Wenn internationale Akteure und andere Länder sehen, „dass wirtschaftlicher Erfolg und Klimaschutz Hand in Hand gehen, dann werden sie mitgehen.“
Jürgen Schachler, Vorstandsvorsitzender und Arbeitsdirektor Aurubis AG: „Die beste Form der Energieeffizienz ist Energie zu sparen und nicht zu verschwenden.“

Speicher, Netze und Sektorenkopplung
Zu Beginn der Panel-Debatte wies Heribert Hauck, Leiter Energiewirtschaft TRIMET Aluminium SE, darauf hin, dass mittels der Flexibilitätsoptionen großer Verbraucher der Netz- und Speicherausbau gemindert und somit die Energiewende spürbar effizienter gestaltet werden kann. Trimet als zweitgrößter Stromkonsument Deutschlands sei gerade dabei, in Vorleistung zu gehen und eine größere Investition zu tätigen. Ziel sei es, den eigenen Verbrauch noch stärker zu flexibilisieren. Dann können wir „die Produktion vorübergehend um 25 Prozent hoch- oder herunterfahren und Energie durch Elektrolysezellen mit Flüssigaluminium speichern.“ Sieglinde Hinzer, stellvertretende Konzernbetriebsratsvorsitzende enviaM-Gruppe hob hervor, dass der Stromnetzausbau im Verteilnetz eine Herausforderung für die Energiewende und die Beschäftigten sei. Sie betonte: „Es fehlt an verlässlichen politischen Rahmenbedingungen. Es geht nicht, dass jedes Jahr Gesetze oder wie beim EEG sogar zwei Mal im Jahr geändert werden. Die Energiewende ist dezentral und damit nehmen die Verteilnetzbetreiber eine zentrale Rolle ein, denn 90% der Erneuerbaren sind hier angeschlossen. Verteilnetzbetreiber dürfen durch politische Vorgaben nicht in ihren Aufgaben beschnitten werden.“ Dennoch bestünden im Zuge der Energiewende auch Chancen für die Beschäftigten. Prof. Kurt Wagemann , Geschäftsführer DECHEMA e.V. bestärkte die Aussage von Herrn Schäfer, dass es im Zuge des Umstiegs auf treibhausgas-ärmere Technologien wichtig sei, den sich daraus ergebenden Bedarf an Flexibilität und Speichern zu definieren und diese Leistung dann auch zu vergüten. Er führte aus, dass ein derartiges Herangehen ebenfalls aus industriepolitischen Überlegungen sinnvoll ist. Weltweit findet aktuell ein starker Ausbau regenerativer Energien statt. Deshalb werden international Flexibilitäts- und Speicherlösungen gesucht. „Diese Chancen für den deutschen Anlagen- und Maschinenbau dürfen nicht klein geredet werden.“ Prof. Wagemann stellte zudem heraus, dass er vom Kopernikus-Projektstrang „Power-to-X“ wegweisende Beiträge sowohl zu Speichertechnologien als auch zur Sektorenkopplung erwartet. Einschränkend fügte er in der Diskussion indes hinzu, dass die Prognosen seiner Organisation – wie die vieler anderer Einrichtungen - in der Vergangenheit nicht immer zutreffend waren. Richtig bewertet wurde, dass die „Energieversorgung chemischer werden wird.“ Die Aussage, dass elektro-chemische Speicher (wie z.B. Redox-Flow-Systeme) immer wichtiger würden, hätte sich bislang allerdings noch nicht realisiert. Hintergrund ist, dass kein Business Case entstanden sei. Hinsichtlich der Sektorenkopplung erwarteten die Diskutanten kurzfristig, dass Wärmelösungen wie Power-to-Heat am schnellsten in den Markt eingeführt werden. Diese Technologien sind ausgereift und seien wirtschaftlich darstellbar. Die Frage sei nur, ob dezentrale Ansätze in den Privathaushalten oder zentralere Wärmetechnologien kurz- und mittelfristig Ziel führender seien. Ebenfalls stünde mit der Flexibilisierung von Industrieprozessen ein wirkungsvolles Instrument zur Verfügung, wenn entsprechende finanzielle Anreize gegeben würden. Demgegenüber seien Power-to-X-Lösungen in der Regel marktlich erst langfristig in größerem Umfang interessant. Wenn regenerativ erzeugter Wasserstoff indes direkt - beispielsweise in Raffinerien - eingesetzt werden könnte, ergeben sich laut Prof. Wagemann Sonderfälle, die bereits heute einen wirtschaftlichen Einsatz versprechen. Wichtig sei es, die Dekarbonisierung des Energie- und Wirtschaftssystems effizient umzusetzen. Denn: „Akzeptanzfragen sind für die Energiewende letztlich entscheidend.“

Politik für Energiewende, industrielle Standortperspektiven und Klimaschutz