2. If.E Betriebsrätekonferenz
Zum zweiten Mal hatte das Innovationsforum Energiewende e.V. am 11. September 2014 zur If.E Betriebsrätekonferenz eingeladen.
170 Betriebsräte und weitere Akteure der Mitbestimmung waren dem Angebot gefolgt, um mit Experten aus Wirtschaft und Politik über Erschütterungen und Herausforderungen der Energiewende zu diskutieren.

“Energiewende zügig weiterentwickeln”
„Die großen Fragen der Energiewende dulden keinen langen Aufschub.“ Mit diesen Worten forderte am Mittwoch in Berlin der IG BCE und If.E-Vorsitzende Michael Vassiliadis eine rasche Neuorientierung in der Energiepolitik.
Die „fortlaufend wachsenden Beschäftigungsrisiken in den Unternehmen der Energieerzeugung und der schleichende Verlust an Investitionen in der energieintensiven Industrie“ seien ein alarmierendes Signal für dringenden politischen Handlungsbedarf, erklärte Vassiliadis.Er appellierte an die Bundesregierung, „nach den richtigen und wichtigen Reformschritten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nun den nächsten, zwingend notwendigen Schritt zu einer zukunftsträchtigen Energiewende zu gehen“.
Von der Großen Koalition sei zu erwarten, dass sie insbesondere die Kraft zu der erforderlichen Neuordnung des Strommarkts sowie zu einer Absicherung der Energiewende durch einen zügigen Netzausbau aufbringe. „Je länger das dauert, umso größer werden die Risiken für Arbeitsplätze und Innovationen, ohne die wir das herausfordernde Projekt nicht zum Erfolg bringen werden“, so Vassiliadis.
Der ungeregelte Ausbau der hochsubventionierten Erneuerbaren Energien, verbunden mit einer unkonditionierten Einspeisegarantie, habe zu einer schwerwiegenden Erschütterung des „Restmarktes konventioneller Stromerzeugung“ geführt. Ein geordneter Strukturwandel bedinge konzeptionelle Konsolidierungsbeiträge, wie sie die IG BCE etwa mit einer „Steinkohle-Verstromungsunion“ vorgeschlagen habe.
Diese Gesellschaft, in der künftig die Kapazitäten der Steinkohleverstromung gebündelt werden könnten, wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer neuen Marktordnung und zu mehr wirtschaftlicher Vernunft. „Wer diesen Vorschlag dennoch nicht teilt, der muss zumindest eine bessere Lösung anbieten“, so Vassiliadis. Andernfalls sei kurz- und mittelfristig die gesamte konventionelle Energieerzeugung in Gefahr – „und damit tausende guter Arbeitsplätze in großen Unternehmen, die für eine sichere Energieversorgung unverzichtbar sind“.
Scharf wandte sich Vassiliadis gegen „populistische Behinderungen und Verzögerungen beim Netzausbau“. Insbesondere die bayerische Landesregierung stelle den Neubau von Stromtrassen infrage, ohne die Wind- und Braunkohlestrom aus dem Osten nicht den wegfallenden Atomstrom Bayerns ersetzen können. Wer Ja sage zur Energiewende, der müsse auch bereit sein, die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen. „Die Energiewende kann nur als gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt gelingen“, so Vassiliadis. „Da ist kein Platz für regionale oder parteipolitische Sonderwege.“

Das Energieland Brandenburg und die Energiewende
Der brandenburgische Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke verdeutlichte in seiner Rede wesentliche Schwerpunkte der Energiewende des Landes Brandenburg. Das Bundesland sei in Deutschland führend im Ausbau Erneuerbarer Energien – sowohl in Bezug auf den Stromanteil, auf genutzte Flächen sowie im Verhältnis zur Bevölkerung.
Die Folge seien höhere Strompreise im Vergleich zu anderen Bundesländern. Obwohl gleichzeitig relativ günstiger Kohlestrom genutzt wird, können die Nachteile nicht kompensiert werden.Die solidarische Energiewende muss wichtiges Ziel bleiben. „Wir brauchen mehr Realismus, wenn wir vor dem Hintergrund der Energiewende über deutsche Industriepolitik sprechen“, sagte Ministerpräsident Woidke. Speichertechnologien und Netzausbau müssten stärker mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Einklang gebracht werden. “Was fehlt, ist Speichertechnologie. Momentan können wir vergleichsweise ein Glas Wasser speichern, wo wir Energie in der Größenordnung des Scharmützelsees speichern müssten.”
Dass bei energieintensiven Unternehmen die Investitionsquote gesunken ist, sei „ein riesengroßes Alarmsignal.“ Folglich sei eine Debatte über den industriellen Standort Deutschland überfällig.

Podiumsdiskussion “Markterschütterungen und ihre Konsequenzen”
Dr. Ralf Bartels, geschäftsführendes Vorstandsmitglied If.E, forderte ein, die Energiewende kosteneffizienter zu gestalten. Wichtige Bausteine seien erstens die geplante Auktionierung der Erneuerbaren Energien; zweitens die verstärkte Europäisierung der Energiepolitik. Bei diesen Prozessen sei nicht nur die Versorgungssicherheit im Auge zu behalten. Auch dürften soziale Aspekte nicht zu kurz kommen. Deshalb fordere die IG BCE eine Steinkohleunion.
Dr. Dorothee Mühl, Leiterin der Unterabteilung III B des BMWi, sträubte sich gegen den Begriff der Markterschütterungen. Vielmehr seien bestimmte Entwicklungen seit 2001 absehbar. Die Zusammenführung des Dreiklangs Versorgungsicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz hätte viele Facetten. Das Wirtschaftsministerium bemühe sich diesen Prozess zu strukturieren und Erschütterungen zu vermeiden. „Derzeit sei man mittendrin im langen dunklen Tunnel, das Endergebnis ist nicht richtig absehbar“. Das EEG sei reformiert und das Wirtschaftsministerium habe die Hoffnung, Zeichen des Aufbruchs zu setzen. Aus Gründen der Versorgungssicherheit seien fossile Energieträger nach Ansicht von Frau Dr. Mühl nicht nur Brückentechnologien. „Wir werden sie noch lange brauchen.“ Allerdings sei die Frage, wie sich Erneuerbare und fossile Kraftwerke besser ergänzen könnte.Joachim Rumstadt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Steag GmbH, betonte, dass nach erfolgtem Ausstieg aus der Kernenergie absehbar nur fossile Kraftwerke die Versorgungssicherheit garantieren könnten. Angesichts der Marktverwerfungen kommen indes konventionelle Kraftwerke immer seltener zum Einsatz. Die Herausforderung sei derzeit, ob weitere Durchregulierungen notwendig seien oder ob den Marktkräften der Vorrang gegeben werden solle.
Für die chemische Industrie mahnte Margret Suckale, Vorstandsmitglied bei BASF SE, an, nicht zu vergessen, dass die ständig laufenden, großtechnischen Anlagen ihres Unternehmens auf den Strom aus Grundlastkraftwerken angewiesen sind: „Wenn sie hier durch Netzschwankungen ausfallen, Schäden erleiden, dann produzieren die USA, die Firmen in Asien weiter.“ Fossile Kraftwerke dürfen nicht als schlechte Energie verteufelt werden. Diese Diskussion führe dazu, Investitionsanreize für eine dringende Erneuerung des überalterten Kraftwerksparks zu schmälern. „Wir sind darauf angewiesen.“ Aufgrund des billigeren Rohstoffangebots hat BASF bereits entschieden, sowohl eine Ammoniak- als auch eine Methan-Anlage in den USA zu errichten.
Mit Joachim Rumstadt war sich Suckale einig, dass der Strommarkt auf europäischer Ebene geöffnet werden müsse. Die jetzige Situation sei so überreguliert, dass es kaum noch einen echten Markt gebe. Zudem würde in Deutschland Innovationen wie Fracking zu wenig Raum gegeben. Frau Suckale hob hervor: „Fracking wird in den USA vielleicht nicht so verantwortungsvoll gehandhabt, wie wir uns das vorstellen. Aber das ist doch unsere Chance! Ein Unternehmen wie unsere Tochter Wintershall wird doch kein Risiko eingehen und eine 100-jährige erfolgreiche Firmengeschichte aufs Spiel setzen. Wenn wir die Technologie nicht zulassen, wäre das ein schlechtes Zeichen für einen Innovationsstandort.“
Folglich sei anzuraten, die in Deutschland entwickelten, deutlich umweltschonenderen Technologien im Rahmen von Pilotprojekten auszuprobieren.

Podiumsdiskussion “Netze der Zukunft”
Einig war man sich auch bei der IG-BCE-Forderung zum schnelleren Netzausbau. Peter Franke, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, skizzierte den aktuellen Stand der Planung des Netzausbaus.
Die Prognose, dass eine dominierende Stellung der Erneuerbaren Energien im Strombereich zu einer tendenziellen Verschiebung der Energieerzeugung nach Norden führe, hätte weiterhin Gültigkeit. „Wir gehen davon aus, dass die großen Nord-Süd-Verbindungen wie vorgesehen kommen“, sagte Peter Franke. Zwar seien die Ziele des Netzausbaus noch nicht erreicht. „Es gibt aber auch Fortschritte. Damit hätten wir eine sichere Grundlage für die Industrie.“Heribert Hauck, Leiter Energiewirtschaft, merkte an, dass Trimet Aluminium SE schon jetzt einen Beitrag zur Netzsicherheit als primäre Netzreserve leistet. „Wenn 6.000 MW Photovoltaik innerhalb von 20 Minuten vom Netz gehen, weil eine unkalkulierte Nebelwand auftaucht, dann können 1.000 MW von bis zu vier Aluminiumhütten innerhalb von Sekunden vom Netz gehen. Das können sonst nur Grundlastkraftwerke.“
Zum Thema Netzausbau mahnte Dr. Lutz Pscherer, Gesamtbetriebsratsvorsitzender beim Netzbetreiber 50Hertz Transmission, unbedingt eine Verkürzung der Planungszeiten für die Trassen an: „Sonst laufen wir der Entwicklung auf dem Energiemarkt nur noch hinterher.“ Wie Ministerpräsident Woidke mahnte er einheitliche Netzentgelte an, „…alles andere wäre wieder nachteilig für die Industrie.“ Zudem wünschte er sich ein einheitliches Energiekonzept in Europa.
Mit Blick auf fehlende Netze wies Carsten Johnson, Betriebsratsvorsitzender bei Cisco Systems, zunächst ironisch darauf hin, dass die Informations- und Kommunikationsbranche bereits das WLAN erfunden hätte. Anschließend verdeutlichte er, warum die IKT-Branche der ideale Partner bei der Errichtung intelligenter Netze sei. Anhand der Anzahl der möglichen Stromflussmessungen beschrieb er die riesigen zu erhebenden Datenmengen. Dieses würde neue Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen; jedoch auch neue Qualifikationen erfordern.
Anschließend wurden Detailfragen der Energiewende in parallelen Workshops mit Experten aus den Betrieben diskutiert sowie die Ergebnisse im Plenum vorgestellt. Eine Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf das Thema „Mitbestimmung in der Energiewende-Gestaltungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten in Energiewirtschaft und energieintensiver Industrie“. Ein weiterer Workshop setzte sich mit Änderungen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung im Zuge der Energiewende auseinander. In einer dritten Gruppe wurden Fragen der „Energieeffizienz – betriebliche Handlungs- und Kooperationsmöglichkeiten für Betriebsräte“ thematisiert
Arbeitsgruppen
Ralf Sikorski, IG BCE und If.E Vorstandsmitglied, gab abschließend einen zusammenfassenden Ausblick auf die zukünftige Arbeit des Innovationsforums Energiewende. Er hob insbesondere hervor: “Wir sind noch weit davon entfernt, überall von »Guter Arbeit« reden zu können. Auch das muss ein Maßstab bei der Bewertung neuer Arbeitsplätze im Bereich regenerativer Energien sein.”