Erste If.E-Betriebsräte-Konferenz in Düsseldorf
Am 22. Mai 2013 diskutierten Betriebsräte und weitere Akteure der Mitbestimmung mit Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über gegenwärtige Herausforderungen der Energiewende.
Zentrale Themen waren die Abstimmungsprozesse zwischen Landes- und Bundespolitik, Elemente eines neuen Strommarktdesigns sowie Innovationen und Investitionen bei Netzen und Kraftwerken. Darüber hinaus wurde über betriebliche Energieeffizienzpotenziale und deren Erschließung debattiert.
Für eine neue Strommarkt-Ordnung
Der If.E und IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis hat Sofortmaßnahmen gegen die steigenden Energiepreise gefordert.
„Wir brauchen ein schnell wirkendes Aktionsprogramm, das ist eine zentrale Aufgabe für den nächsten Bundestag. Die unterschiedliche Preisentwicklung in den USA und Europa geht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit und bedroht Arbeitsplätze. Es besteht hoher Handlungsdruck, denn die so genannte Preisbremse des Bundesumweltministers funktioniert nicht“, sagte Vassiliadis auf der ersten Betriebsrätekonferenz des Innovationsforums Energiewende (If.E) am Mittwoch (22. Mai) In Düsseldorf.Nach Auffassung des IG-BCE-Vorsitzenden ist es „widersinnig, dass die Stromverbraucher eine Umlage für Ökostrom zahlen und der Fiskus darauf dann noch Mehrwertsteuer erhebt. Es gehe hier um eine Größenordnung von rund 1,4 Milliarden Euro. Leider gebe es bei diesem Thema eine „Koalition der Weghörer“.Entscheidend komme es darauf an, dass „wir innovativer und effizienter in der Energieerzeugung und im Energieverbrauch werden“, unterstrich Vassiliadis. Auch die Erneuerbaren Energien müssten sich stärker dem Wettbewerb stellen. Eine Energieversorgung mit Abnahme- und Preisgarantie funktioniere auf Dauer nicht. „Wir brauchen ein Konzept für einen neuen Strommarkt.“
Die Energiewende hakt, die Abstimmung zwischen Bund und Ländern ist alles andere als optimal. „Wir brauchen eine mit den Ländern abgestimmte, aber stärker zentrale Steuerung der Energiewende“, sagte Vassiliadis. „Der Monitoring-Prozess muss verbessert und gestärkt werden. Es geht um Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und nicht zuletzt die soziale Akzeptanz der Energiewende.“
Die dringend notwendigen Investitionen in neue und innovative Energieerzeugung werden auf über 350 Milliarden Euro bis 2030 geschätzt. „Um das in den Aufsichtsräten endlich entscheidungsreif zu machen, ist nicht Beliebigkeit der Diskussion, sondern Planungssicherheit erforderlich und zu gewährleisten.“
Kurz- und mittelfristig sind nach Auffassung des IG-BCE-Vorsitzenden an eine funktionsfähige Strommarktordnung folgende Anforderungen zu stellen:
- Um die Elektrizitätsversorgung in Deutschland zu jeder Tages- und Jahreszeit zu gewährleisten, bedarf es des Erhalts der Bestandskraftwerke sowie des Neubaus hocheffizienter Kohle- und Gaskraftwerke.
- Um die Effizienz der Strom- und Wärmeerzeugung zu erhöhen, bleiben die Nutzung und der Ausbau der wirtschaftlichen Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung ein wichtiges Ziel. Wichtig sind dafür mehr industrielle Nutzung, Ausbau und Zusammenlegung von Nah- und Fernwärmeschienen in Ballungsräumen sowie Wärmespeicher.
- Zudem ist der Auf- und Ausbau der Infrastruktur erforderlich, kurzfristig insbesondere der von Übertragungs- sowie Verteilnetzen und mittelfristig von Strom- und Wärmespeichern. Ansonsten werden wir bereits vor 2020 erleben, dass erhebliche Elektrizität aus Erneuerbaren Energien abgeschaltet werden muss.
Frank Wiedemeier (IG BCE)
If.E-Betriebsrätekonferenz: Hannelore Kraft
„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ganze Industrien zerstören“
„Das Projekt Energiewende werde entscheiden, ob Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland Industrieland bleiben“, sagte Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Deshalb forderte sie einen Masterplan für die Energiewende. „Wir brauchen ein Strommarktdesign, das auch die Backup-Kapazitäten von konventionellen Kraftwerken rentabel einschließt.“Denn nach wie vor könne die Grundlastsicherung, die vor allem wichtig für die Industrie sei um Stromschwankungen im Netz zu verhindern, nicht mit den erneuerbaren Energien wie Solar und Wind gewährleistet werden. „Wir müssen uns die Doppelausstattung von erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken noch lange leisten“, machte Kraft deutlich. Doch der Betrieb und vor allem der Neubau von benötigten Kohle- und Gaskraftwerke müsse auch rentabel sein, was im Moment jedoch nicht immer zutreffe.
Schuld daran, sei auch die Bundesregierung. So kritisierte Kraft, dass der Umweltminister Peter Altmeier mit Schnellschüssen wie der Strompreisbremse nur wichtige Zeit verschwende, anstatt sich um die wichtigen Aufgaben und Lösungen für die Versorgungssicherheit der Energie zu kümmern. Es bestehe mittlerweile bei vielen Unternehmen große Unsicherheit, was dazu führe, dass wichtige Investitionen zurück gehalten werden. „Das Altmeier-Konzept war keine Strompreisbremse, sondern eine Innovations- und Wachstumsbremse“, sagte die Ministerpräsidentin.
Strom müsse auch in Zukunft für alle bezahlbar sein, doch Hannelore Kraft warnte vor einer falschen Weichenstellung: „Wir müssen aufpassen, dass wir mit minimalen Einsparungen für die Endverbraucher nicht ganze Industrien in Deutschland zerstören“.
Kraft sprach sich für eine Vielzahl an Maßnahmen aus. So müsse der bisherige Bestand an Kraftwerken geschützt werden, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Außerdem solle die Stromsteuer um 25 Prozent gesenkt werden. Dies bedeute eine Entlastung für die Endverbraucher um 1,6 Milliarden Euro. Darüber hinaus solle die Ausnahmeregelung für die Unternehmen von der EEG-Umlage überprüft werden. Wichtigstes Kriterium dabei solle der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit sein.
Zum Schluss nannte Kraft noch einige Beispiele, wie ihr Bundesland die Energiewende angehe. So könne man dem Problem der Akzeptanz etwa beim Bau von Hochspannungsleitungen nur begegnen, wenn man die Bürger auch beteilige, zum Beispiel in Online-Diskussionen. „Je eher wir die Menschen einbinden, um so eher erhalten wir für die wichtigen Projekte auch Akzeptanz“, sagte Kraft.
In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte der Vorsitzende der Geschäftführung der Currenta AG, Günter Hilken, dass die Debatte nicht nur ökologisch zu führen sei. „Wir müssen zu marktwirtschaftlichen Prinzipien zurückkehren.“
Jürgen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur verdeutlichte die wachsenden Probleme der Netzstabilität. Er forderte deshalb sowohl eine stärke Koordination der Bundesländer beim Ausbau der Erneuerbaren Energien als auch eine bessere Verzahnung mit dem Netzausbau ein. Schließlich sei noch keine großtechnische Speicherung für Strom in Sicht.
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin sah in der Debatte eine „Renaissance der Sachlichkeit“. Angesichts des Fehlens wirtschaftlicher Speicherlösungen werden konventionelle Kraftwerke bis Mitte des Jahrhunderts einen Platz im Strommix einnehmen. Deshalb bestehe die Notwendigkeit, moderne Kohlekraftwerke zu bauen. Dafür sind die Investitionsbedingungen zu schaffen.
Frank Wiedemeier (IG BCE)
Die Energiewende: Innovatives Handeln zwischen Bund, Ländern und industriellen Akteuren
„Wir dürfen die Debatte um die Energie-wende aber nicht nur ökologisch führen“, fordert Dr. Günter Hilken, Vorsitzender der Geschäftsführung der Currenta AG in der Podiums-diskussion unter dem Motto „Die Energiewende: Innovatives Handeln zwischen Bund, Ländern und industriellen Akteuren“.
Es brauche viel mehr eine Gleichrangigkeit von Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Der Unternehmer betonte, dass die Industrie bereits einen großen Beitrag zur Lösung der Probleme der Energiewende und für mehr Klimaschutz leiste.So produziere die chemische Industrie nicht nur passgenau Produkte etwa für die Gebäudesanierung, sondern auch der eigene Energieverbrauch und CO2-Ausstoß habe sich in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 20 Prozent reduziert – bei gleichzeitiger Produktionssteigerung. Besonders die steigenden Energiepreise machen dem Unternehmer mit Hinblick auf immer billiger werdende Energie in den USA sorgen. „Wir müssen zu marktwirtschaftlichen Prinzipien zurückkehren“, fordert Hilken.
Die wachsenden Probleme der Netz-stabilität verdeutlichte Jürgen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur: „Wir werden immer häufiger Tage haben, an denen die Erneuerbaren Energien die Versorgung sicherstellen können“, so Homann. „Doch wir werden auch genauso viele Tage haben an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.“
An einigen Beispielen macht er deutlich, wie enorm die Schwankungen im Stromnetz seien.Das größte Problem auf politischer Ebene sei die unzureichende Koordination der Bundesländer beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese müsse besser mit dem Leitungsbau verzahnt werden.Homann wies darauf hin, dass Deutschland auch 2050 noch einen wesentlichen Teil seiner Stromversorgung aus Gas und Kohle beziehen werde. Dabei gehe es vor allem um die Vorhaltung von Kapazitäten, denn „weit und breit ist keine großtechnische Speichermöglichkeit für Energie in Sicht.“
Garrelt Duin, Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen stimmte Jürgen Homann zu, dass die Abstimmung der Länder untereinander und mit dem Bund „das größte Hindernis“ sei. So habe jedes Bundesland sei eigenes Interesse beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Duin bekannte sich klar für die Rolle der Braunkohle, die auch 2045 noch einen wesentlichen Anteil im Strommix haben werde. „Doch dafür brauchen wir moderne Kohlekraftwerke“, sagte der Wirtschaftsminister. „Dafür müssen wir endlich die entsprechenden Investitionsbedingungen schaffen.“ Derzeit sei ihm kein einziges Projekt bekannt, in dem ein Unternehmen den Bau eines neuen Kraftwerkes plane. „Den Unternehmen fehlt es schlicht an Planungssicherheit“, so Duin.
Duin sprach sich dafür aus, „jetzt nicht den Fehler zu machen und zwei Strommärkte zu designen.“ Ziel müsse sein, die Erneuerbaren Energien und die konventionellen Energieträger in einem Konzept zusammenzubringen: „Dabei müssen wir auch zu einer anderen Finanzierung der Erneuerbaren Energien kommen“, fordert er. Eine Möglichkeit sei es, den Ausbau der Regenerativen über Steuern zu finanzieren.
Besonders wichtig sei es, einen Konsens unter allen Parteien herbeizuführen, denn „Entscheidungen dürfen nicht von Wahlperioden abhängen“, machte Duin deutlich. Weiter sprach er sich dafür aus, dem Dreiklang von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit zu betrachten. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland müssen im Mittelpunkt stehen.“
„Zentral ist die Sicherung, Schaffung und die Qualität von Arbeitsplätzen“, sagte auch Reiner Hoffmann, IG-BCE-Landesbezirksleiter Nordrhein. Die energieintensive Industrie in Deutschland zeichne sich durch qualifizierte Arbeitnehmer und ordentliche Entlohnung aus. „Die Arbeitsplätze müssen wir zukunftssicher machen“, sagte Hoffmann. Denn Deutschland könne sich im internationalen Wettbewerb nur mit Innovationen behaupten und nicht „mit billigen Arbeitsplätzen“.
„Die Industrie ist die Grundlage für Wohlstand“, sagte der IG-BCE-Landesbezirksleiter. Das zeige auch der europäische Vergleich. So stehe Deutschland heute deutlich besser da als viele andere Länder, die sich auf Dienstleistungen verfestigt hätten. Dies habe auch die Europäische Union erkannt. So habe sich die EU-Kommission auch aus den Lehren der Finanz- und Wirtschaftskrise heraus für mehr Industrialisierung ausgesprochen. Und eines sei in der Krise auch deutlich geworden: „Mitbestimmung und Betriebsräte sind kein Hindernis, sondern ein Garant für Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Hoffmann.
Belastungen und Chance der Energiewende
In den drei Workshops beschäftigten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen unter anderem mit den Auswirkungen der Energiewende auf die Mitbestimmung in den Unternehmen. Positive Auswirkungen habe die Energiewende etwa auf den Netzbetreiber 50 Hertz. Hier werden Arbeitsplätze geschaffen und junge Nachwuchskräfte gesucht.
Druckkonflikt ausgelöst habe. Der Stellenabbau der Energiekonzerne im Zuge des Ausstiegs aus der Atomkraft stellt dabei eine besondere Herausforderung für die Betriebsräte und die Mitbestimmung dar. Doch auch in Zukunft stellt sich die Frage, wie können negative Effekte der Energiewende abgemildert werden? Und wie kann der qualitative Anspruch an Arbeitsplätze und Mitbestimmung gewährleistet werden?Bei der Beschäftigungssicherung gehe es vor allem um die Sicherstellung der Kette von Planungssicherheit, Investitionen und Arbeitsplätzen. An ihre Grenze stoße die Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft etwa dann, wenn es um die Entscheidung für Investitionen der Unternehmen gehe.
Auch die Frage, welche Belastungen die Energiewende der jungen Generation aufbürgt, wurde diskutiert. Dabei überlegten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie ein Dialog zwischen den Generationen und mehr Beteiligung der Jüngeren gelingen könne.
Was können energieintensive Unternehmen sowie die einzelnen Beschäftigten in den Betrieben mittels Innovations- und Energieeffizienzvorschlägen zur Energiewende beitragen? Diese Frage wurde erstens anhand des Versuchs erörtert, einen „virtuellen Speicher“ in einem Aluminiumwerk bis zum Jahresende als Ausgleich für schwankende Stromerzeugung und -verbrauch aufzubauen. Zweitens wurden die ausgesprochen positiven Ergebnisse eines langjährigen Energieeffizienzprogramms in einem Unternehmen dargestellt. Der aktive Einbezug der Mitarbeiter führte zu einer dauerhaften Verminderung des Energieeinsatzes um 17 Prozent sowie entsprechender Treibhausgasemissionen. Die Diskutanten waren sich darin einig, dass es eine bessere Verknüpfung der Energiewende und der Industrie geben müsse. Energiemanagementsysteme seien dabei ein wichtiges Thema.
Gesamtgesellschaftlich habe die Energiewende dazu beigetragen, dass Menschen miteinander sprechen, die vorher nicht miteinander geredet haben. Dies sei ein positiver Effekt.
Frank Wiedemeier (IG BCE)
„Wir brauchen mehr Realismus“
„Nicht weil uns neue Technologien fremd sind, blicken wir mit gemischten Gefühlen auf die Energiewende“, sagte Vassiliadis. Ihn beunruhige vielmehr der Fundamentalismus einiger Gruppen in der Gesellschaft. „Die Energiewende gerät ins Stocken, wenn wir jetzt auch die Kohle bekämpfen.“
Die Ethikkommission, die nach der Katastrophe von Fukushima eingerichtet wurde, sei zu dem Entschluss gekommen, dass es gelingen könne, bis 2022 aus der Atomenergie auszusteigen. „Doch sie hat nicht gesagt, dass wir aus der Kohle aussteigen“, so Vassiliadis„Die Energiewende muss ein funktionierendes und sachliches Projekt sein“, sagte Vassiliadis und plädierte dafür, „mit mehr Realismus“ über die Energiewende zu streiten. Denn wer am Ende die Balance von Ökologie, Ökonomie und Sozialem nicht beachtet, erreiche nicht, dass die Ökologie am Ende besser dastehe. „Die Energiewende muss wirtschaftlich und sozial für die Menschen zum Vorteil werden“, machte Vassiliadis deutlich. Im Moment sei sie jedoch weder sozial noch gerecht, wie das Beispiel der EEG-Umlage zeige.So könne es nicht sein, dass Arbeitsplätze als gut bewertet würden, nur weil sie im Sektor der Erneuerbaren Energien angesiedelt seien. „Wir müssen die Qualität dieser Arbeitsplätze auch mit unseren Kriterien von guter Arbeit messen können und dürfen“, sagte der Vorsitzende.
Schließlich wandte sich Vassiliadis direkt an die Unternehmen: „Uns eint der Kampf gegen verrückte Vorstellungen“, so Vassiliadis. Doch es sei nun auch an der Zeit, dass die Firmen ein kleines Risiko eingingen und anfingen, in die Energiewende zu investieren.